Das heilige Blut von Thulba

In Thulba lebte vor vielen Jahrhunderten ein Priester, der angeblich bezweifelte, wenn er es auch nicht öffentlich zugab, daß in der heiligen Messe der Wein in das Blut Christi verwandelt werde.

Eines Tages passierte das Mißgeschick, daß ihm am Altar der Kelch umfiel, nachdem er die Wandlungsworte gesprochen hatte. Sein plötzlicher Schreck verwandelte sich in Furcht und Grauen, als wirklich es Blut über das Leinentuch der Hostie floß. Sofort raffte er das Corporale zusammen, versteckte es hinter dem Tabernakel und setzte seine Messe mit gespielter Ruhe fort. Am nächsten Morgen aber war der Priester krank und verstarb bereits nach drei Tagen. Erst auf dem Sterbebett erstattete er seinem Beichtvater Bericht von dem Vorfall.

Man legte das Wundertuch in ein kostbares Gefäß und beschloß, es von drei frommen Männern der Gemeinde dem Fuldaer Fürstabt zu überreichen. Als diese aber das Gebiet des Bistums Würzburg betreten wollten, hörten sie in Thulba alle Glocken läuten. Sie wurden sehr verlegen, als sie entdeckten, daß das Tuch aus dem Gefäß verschwunden war. Sofort kehrten die drei Männer nach Thulba zurück. Dort erlebten sie die nächste Überraschung: Im Dorf hatte niemand ein Geläute vernommen, hingegen fand man nach kurzem Suchen das blutige Tuch wieder am alten Platz hinter dem Tabernakel.

Nun sollten drei andere Männer ihr Glück versuchen und mit dem Tuch nach Fulda pilgern. Aber auch sie hatten die gleichen Erlebnisse. Sogar ein dritter Versuch mißlang auf diese Weise: Immer hörte man die Glocken läuten, in Thulba aber nicht, auch das Tuch war verschwunden. Nur war es diesmal nicht mehr auffindbar.

Man sah keinen anderen Weg mehr, als den Vorfall dem Abt von Fulda zu berichten. Dieser ordnete an, das Innere der Kirche gründlich zu renovieren und dabei jedes Eckchen zu untersuchen. Eines Tages fand man wirklich das Tuch hoch oben hinter den Altaraufbauten , die ohne Gerüst nicht erreichbar sind.

Von dieser Stunde an blieb das geheimnisvolle Corporale in der Kirche zu Thulba, wo es heute noch zu sehen ist.

Quellennachweis und Anmerkungen

Lisiecki, Josef; Hrsg. Landkreis Bad Kissingen; 1982.

  • Vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus durch Entschließung Nr. A/11-12/3484/83 vom 29.03.1983 zum Gebrauch an Volksschulen lernmittelfrei zugelassen. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Quellenangabe gestattet.